30.10.2012
Alexander Ochs vom Worldwatch Institute zum Rückgang der CO2-Emissionen
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Das Klima- und Energiepaket von Obama war 2010 im US-Senat gescheitert. Die CO2-Emissionen sind um acht Prozent trotzdem deutlich zurückgegangen. Das läge laut Alexander Ochs vom Worldwatch Institute an der Wirtschaftskrise, dem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem zunehmenden Wechsel von Kohle zu Erdgas.
Jule Reimer: “Der Klimawandel ist kein Schwindel. Mehr Fluten, Dürren und Waldbrände sind kein Kinderspiel, sie bedrohen die Zukunft unserer Kinder! Und Sie können bei dieser Wahl etwas dagegen tun.” – Das waren klare Aussagen von US-Präsident Barack Obama beim Parteitag der Demokraten vergangenen September. Danach – im Wahlkampf – nahm er das Wort Klimawandel allerdings nicht mehr in den Mund, so wie er auch in seiner ganzen Regierungszeit der Klimaerwärmung keine große Aufmerksamkeit widmete. Überraschenderweise sind jedoch die CO2-Emissionen der USA deutlich zurückgegangen, gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent, damit sind sie so niedrig wie vor 20 Jahren. Gestern – noch bevor Sandy die Ostküste mit Wucht erreichte – sprach ich mit Alexander Ochs von der US-Denkfabrik Worldwatch Institute in Washington und fragte ihn, wie diese gute CO2-Bilanz zustande kommt.
Alexander Ochs: Das ist hauptsächlich zwei Dingen geschuldet: zum einen der Weltwirtschaftskrise, die natürlich auch in den USA zu geringerem Energieverbrauch geführt hat. Dadurch gehen die Emissionen aus dem Energiebereich runter. Und zum zweiten ist es einerseits der Tatsache geschuldet, dass die Erneuerbaren durchaus zugelegt haben, sich in etwa verdoppelt haben in den letzten vier Jahren unter Obama, und zum zweiten, dass Kohle zunehmend durch Erdgas ersetzt wird. In den USA wird ja hauptsächlich Schiefergas jetzt gefördert und die Erdgasproduktion ist so hoch wie nie zuvor. Das ist natürlich ein fossiler Energieträger, aber einer, der eben sauberer verbrennt, als es die Kohle tut, und insofern führt dieser Ersatz der Kohle durch Erdgas natürlich zu einer relativ rasanten Abnahme der Treibhausgasemission. Das ist grundsätzlich natürlich zu begrüßen.
Reimer: Wir haben hier von Europa aus immer den Eindruck gehabt, als seien Obama durch die Mehrheiten im US-Kongress die Hände in Sachen Klimapolitik gebunden. Gleichzeitig konnten wir hier in der Sendung “Umwelt und Verbraucher” immer wieder berichten, dass zum Beispiel Kohlekraftwerke strengere Abgasregeln auferlegt bekamen, zum Beispiel unter anderem für Quecksilber. Hat Obama auch so eine Art geschickte Klimapolitik durch die Hintertür gemacht?
Ochs: Er hat es immerhin versucht. Obama ist ja mit doch sehr großen Versprechungen im Energie- und auch im Umweltbereich angetreten. Er hat das Thema Klimaschutz immer wieder im vorangegangenen Wahlkampf, als er gegen McCain kandidierte, auf die Tagesordnung gesetzt und wollte die USA wieder an die internationale Spitze wirklich der Klimapolitik bringen und auch insgesamt der Technologiepolitik bringen. Und wenn man jetzt zurückguckt, am Ende von Obamas erstem Term, muss man sagen, das fällt schon wesentlich durchwachsener aus.
Sie haben einen richtigen Punkt angesprochen. Er hat natürlich viel mehr versucht, er hat das aber nicht durch den Kongress gebracht und hat aus diesem Grund dann doch versucht, in dem Rahmen, in dem Veränderungen möglich waren, man kann durchaus sagen, wie Sie das gerade taten, durch die Hintertür dort Veränderungen herbeizuführen. Ja, das ist schon richtig. Aber das hat natürlich nicht zu den großen Erfolgen geführt, die sich viele der Umweltschützer und, ich glaube, viele Amerikaner allgemein erhofft hatten.
Reimer: Präsident Obama ist fest entschlossen, mehr Öl- und Gasfelder in den USA freizugeben. Sie sagten ja bereits, er setzt auf Erdgas, er setzt auf Biosprit, dessen CO2-Bilanz im Vergleich zu Erdöl teilweise noch schlechter ausfällt. Man gewinnt hier doch den Eindruck, es geht ihm eigentlich nur um das Ziel, von Erdölimporten unabhängig zu werden. Falsch?
Ochs: Das ist falsch. Das würde ich anders beurteilen. Es ist sicherlich richtig, dass die heimische Erdölproduktion in den USA so hoch ist wie seit zehn Jahren nicht mehr. Es wird mehr Erdgas gefördert als jemals in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Er ist auch der Atomkraft gegenüber, sagen wir mal, zumindest offen, wenngleich er das jetzt nicht aktiv vorantreibt. Aber es ist eben dieser All-of-the-Above-Approach, wenn man es übersetzen will, von allem etwas in der Energiepolitik, und da spielt natürlich Energiesicherheit, Energieunabhängigkeit immer eine große Rolle in der amerikanischen Diskussion. Das wäre jetzt auch politischer Selbstmord, wenn sich Obama dem entgegenstellen würde. Aber das muss man doch sagen: Die ganze Bewertung fällt durchwachsen aus. Es gibt schon auch im Bereich der erneuerbaren Energien doch enorme Fortschritte in den USA, eine Verdoppelung der Erneuerbaren von drei auf ungefähr sechs Prozent des Elektrizitätsverbrauchs. Da lachen wir natürlich in Deutschland drüber, weil wir viel weiter sind und unsere Energiewende viel weiter vorangetrieben haben, aber das sind doch größere Erfolge, wesentlich größere Erfolge, als das jetzt vorangegangene Präsidenten erreicht haben, und sicherlich auch viel mehr, als man von Romney erwarten würde.
Reimer: Hat denn Hurrikan Sandy in den USA das Thema Klimaerwärmung wieder auf die Agenda gebracht?
Ochs: Ja, aber nicht in dem Maße, dass es jetzt zu großen politischen Veränderungen führen würde. Man muss jetzt mal abwarten, wie groß die Folgen des Sturms sind, auch die wirtschaftlichen Folgen des Sturms sind, und dann wird das Thema sicherlich wieder aktueller diskutiert, als es zuletzt wurde. Aber man darf auch nicht vergessen: Die USA sind dieses Jahr durch eine Jahrhundertdürre gegangen und das Thema wird dann angesprochen, aber es führt bis jetzt nicht zu den politischen Veränderungen, weil es dann doch gegenüber anderen Themen für die meisten Amerikaner eine untergeordnetere Rolle spielt.
Reimer: Falls Barack Obama die kommenden Präsidentschaftswahlen gewinnt, welche Energie- und Klimapolitik, glauben Sie, wird er verfolgen?
Ochs: Ja, das ist Kaffeesatzleserei, aber ich kann mich darin gerne versuchen. Es ist eigentlich davon auszugehen, dass Obama etwas mutiger an die Dinge herangeht. Man darf auch nicht vergessen: Er hat in der zweiten Amtszeit zwei Jahre, in denen er wirklich große Dinge verändern kann. In seinem ersten Term, das stand alles eigentlich sehr maßgeblich unter Beeinflussung der dominanten Themen, einerseits Wirtschaftspolitik, andererseits seines Gesundheitspaketes. Man munkelt schon, dass jetzt in einem zweiten Amtsterm vielleicht tatsächlich die Energiepolitik und auch die Klimapolitik und die Umweltpolitik eine Rolle spielen könnten, die doch eine wesentlich stärkere ist, als sie das im ersten Term war – vor allem, nachdem dann 2010 das Klima- und Energiepaket im Senat gescheitert war. Er hat da auch ganz gute Hebel in der Hand …
Reimer: Aber mit diesen Mehrheiten im Senat muss er ja unter Umständen weiter leben.
Ochs: Das ist völlig richtig. Aber er hat da – das wollte ich gerade ansprechen – andere Hebel in der Hand. Man darf nicht vergessen, dass die Steuerreduzierungen, die schon unter Bush inszeniert wurden, dass die Ende des Jahres automatisch wieder zurückgenommen werden. Das heißt, die Steuern steigen dann zunächst mal, und das ist ein politischer Hebel, den Obama einsetzen kann. Nur er kann zusammen mit dem Kongress diese Steuererleichterungen oder Steuerkürzungen weiter ausdehnen, und da kommt es dann eben zu einem Deal zwischen dem Präsidenten und dem Kongress, egal welche Parteien die Mehrheit in den beiden Häusern des Kongresses haben. Insofern kann man da vielleicht ganz guter Dinge sein.
Es geht um ganz wesentliche Dinge in dieser Wahl. Es gibt sehr große Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten. Da geht es zum einen zum Beispiel darum, diesen Trend weiter auch politisch zu begleiten, dass Erdgas die Kohle ersetzt. Das ist etwas, was Romney nun überhaupt nicht vor hat.
Reimer: Was können wir denn von Mitt Romney dann erwarten?
Ochs: In seinem Fünf-Punkte-Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft – ich glaube, er nennt das ein Job-Programm – ist Energie interessanterweise der Punkt eins, steht also an allererster Stelle. Und dann guckt man sich mal an, worum es dort geht, und das Ziel ist dort, Amerika, und zwar ganz Nordamerika, nicht nur die USA, energieautark, also energieunabhängig zu machen von Importen, bis zum Jahr 2020, also innerhalb der nächsten acht Jahre. Und das soll hauptsächlich erreicht werden durch die Steigerung der heimischen Produktion. Da sind die beiden Kandidaten jetzt noch nicht so weit voneinander entfernt. Aber dann guckt man sich mal an, wie soll das alles erreicht werden, wie soll die heimische Produktion denn gesteigert werden, und da geht es dann los. Dann geht es bei Romney tatsächlich um die Streichung von Regulierung für die Kohleindustrie, es geht um die Genehmigung der Keystone-XL-Öl-Pipeline von Kanada in die USA, es geht um Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für die Öl- und Gasförderung. Unter anderem geht es auch darum, in Alaska oder vor den Küsten Amerikas Öl und Gas zu fördern, die bis jetzt unter Naturschutz gestellt waren. Also da gibt es eine ganze Menge Unterschiede und eine ganze Menge sozusagen Zugeständnisse an die fossilen Energien, die Obama sicherlich in dieser Form nicht tun würde.
Reimer: Die CO2-Emissionen der USA sind deutlich gesunken unter US-Präsident Obama – das Interview mit Alexander Ochs vom Worldwatch Institute in Washington haben wir gestern aufgezeichnet.
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